Alexander Dobrindt "Der Diesel stirbt"

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"Wir setzen den Computer gleich mit dem menschlichen Fahrer"

Was tun Sie, um die deutsche Autoindustrie zu unterstützen?

Wir werden in den kommenden Wochen das innovativste Straßenverkehrsrecht Europas vorlegen. Wir schaffen einen Rechtsrahmen für das automatisierte Fahren, der das Auto in die Gigabit-Gesellschaft überführt.

Was steht im Gesetz drin?

Wir setzen den Computer gleich mit dem menschlichen Fahrer, das heißt, ein Fahrer verhält sich nicht fahrlässig, wenn er das technische System ordnungsgemäß bedient. Damit lösen wir auch die zentrale Haftungsfrage. Der Fahrer darf also die Hände vom Lenker nehmen, dabei ein Buch lesen oder E-Mails checken. Wenn etwas passiert, haftet der Hersteller. Eine Blackbox im Auto speichert die Fahrsituationen und stellt für den Fall eines Unfalls fest, wer gefahren ist und wer für Fehler verantwortlich ist – der Fahrer oder der Computer.

Darf der Fahrer auch schlafen?

Nein. Der Fahrer darf sich vom Fahrgeschehen abwenden, aber eine Grundaufmerksamkeit muss immer gegeben sein.

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Grundaufmerksamkeit – mit einem Buch in der Hand?

Grundaufmerksam heißt, der Fahrer muss für das System jederzeit ansprechbar und in der Lage sein, innerhalb einer kurzen Zeit die Gewalt über das Fahrzeug zu übernehmen. Die Autoindustrie spricht zurzeit davon, dass dem Fahrer bis zu zehn Sekunden Zeit eingeräumt werden, um ihm die Steuerung des Fahrzeugs zu übertragen.

Ist die Technik überhaupt schon reif für den Rechtsrahmen, den Sie ihr geben wollen?

Deutschland ist ein Pionier beim automatisierten Fahren. Wir haben mit dem digitalen Testfeld auf der Autobahn 9 in Bayern weltweit die einzige intelligente Straße, die Infrastruktur und Autos miteinander vernetzt. Es sind aber natürlich noch viele Fragen zu klären. Zum Beispiel, nach welchen Regeln sich Autos verhalten müssen, wenn ein Unfall unvermeidbar ist. Ich habe dazu eine Ethikkommission ins Leben gerufen, die sich mit diesen Fragen rund um das automatisierte Fahren intensiv beschäftigen wird.

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von Christian Ramthun, Christian Schlesiger

Eine Ethikkommission, die sich mit Entscheidungen von Bordcomputern befasst?

So kann man das sagen, aber das ist natürlich nur ein Aspekt. Die mehrköpfige Kommission unter der Leitung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo di Fabio wird in diesem Monat ihre Arbeit aufnehmen und die Entwicklung langfristig begleiten. Es geht um einen Rahmen, an dem sich Programmierer orientieren können.

Welche Standards werden gelten, wenn ein Unfall unvermeidbar ist? Lieber ein Kind gefährden als drei Erwachsene?

Klar ist: Sachschaden geht immer vor Personenschaden. Außerdem darf es keine Klassifizierung von Personen zum Beispiel nach Größe, Alter oder Ähnlichem geben. Das heißt, das System darf nicht aktiv entscheiden, etwa eine Gruppe mit weniger Personen anzusteuern, um einer Gruppe mit mehr Personen auszuweichen. Alles in allem, und das ist der Kern des Fortschritts, wird die Technik aber dazu führen, dass es viel weniger Unfälle geben wird. Die vernetzten und automatisierten Systeme haben das Ziel, mögliche Gefahren frühzeitig auszuschließen, sodass es gar nicht erst zu einer unausweichlichen Situation kommt. Menschliches Versagen ist heute mit großem Abstand Unfallursache Nummer eins. Die Technik wird die Zahl der Unfälle deutlich reduzieren.

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